Freitag, 30. August 2013

Garten und Fantasie - alleingelassen

Nein, mein Garten war nicht zu beneiden während der vergangenen Monate, oder vielleicht doch? Keine Zeit hatte ich fürs Unkrautjäten, keine fürs Blumenpflanzen, nur die Minuten fürs Gießen knapste ich mir ab, was zum Glück ja nicht häufig nötig war, da der Himmel das Gießen, von wenigen Wochen Hitze mal abgesehen, zumeist dankend übernahm. "Was macht ein Garten ohne Gärtner? Weiterwachsen." Und wie! In-Ruhe-gelassen-werden kann befruchtend sein, NICHTS zu tun den Blick für Neues öffnen. Das liegt selten klar auf der Hand, aber wenn man die gefühlten dreiundzwanzig Tonnen Unkraut weggejätet hat, findet man Ein- und Ausblicke, die es so nicht gegeben hätte, wäre man rührig gewesen, hätte mehr eingegriffen.

Der Garten ist ein wunderbares Symbol für das Leben; er erzählt so viel, und man kann mit ihm so viel erzählen - auch reden, gewiss, aber das ist hier nicht gemeint. Monatelang habe ich kaum einen Fuß hinausgesetzt ins Grün, im Vorbeigehen ein paar Tomaten genascht und gedacht: Irgendwann musst du ran, die Wege freimachen.

Heute war es soweit, aber das habe ich schon im Gartenblog beschrieben, hier geht es um die anderen Wege, die freizumachen waren, die jede Menge Jäten, Säen, Wässern erforderten. Es ist geschafft, der Boden ist bereitet - jetzt muss es nur noch keimen, wachsen, gedeihen. Der Gärtner braucht Geduld. Und ich freue mich auf Urlaub.

Bis demnächst aus der Schreibstube ...

Nikola

PS:
Zum Garten-Jäten ...
Zum Buchstaben-Jäten ...


Freitag, 2. August 2013

Post vom Anwalt und ein Abschied ...

Es gibt solche Momente, in denen man sprachlos ist ... Heute Abend beim Lesen in meinem Twitter Account war es so weit: "7600 Euro für einen Lokalzeitungstext/Journalist verklagt Musikerin Scarlett O´." Gut, die Diskussion um die sogenannten "Pressespiegel" ist nicht neu, und im Oktober soll es eine Entscheidung zur Verwendung von Rezensionsausschnitten aus Zeitungen im Rahmen der Buchwerbung geben. Und, auch ja: Streng juristisch genommen greift hier das Zitatrecht nicht. Und, ja: Menschen, die (professionell) schreiben, sollen damit auch Geld verdienen dürfen. Und noch mal ja: Das Urheberrecht gilt auch im Internet. Und für Pressetexte. Alles klar?
 
Nein. Nicht mal juristisch ist alles klar. Das bedeutet aber, dass jemand, der nicht seine Tage damit verbringen will, anwaltliche Schreiben zu konsumieren, Konsequenzen ziehen muss. Dass Abschied genommen werden muss von lieben, alten Gewohnheiten, die jahre-, ja, jahrzehntelang üblich waren, die allen, die daran beteiligt waren, irgendwie genutzt haben. Und hier ist der kleine, aber feine Unterschied zur "gewöhnlichen" Urheberrechtsverletzung: Es geht nicht darum, dass jemand einen fremden Text ungefragt veröffentlicht, zu dem keinerlei Beziehung besteht. Scarlett O´ bringt es sehr schön auf den Punkt: Wenn es mich als Künstlerin nicht gäbe, hätte der Journalist nichts zum Schreiben.
 
Diese gute, alte Gewohnheit war eine typische Win-win-Situation: Der Journalist berichtet über Musiker und Schriftsteller, er geht zu Veranstaltungen, und selbstverständlich zahlt er nichts dafür. Wird ebenso selbstverständlich gratis bewirtet, wenn es denn Bewirtung gibt, und dass er, im Falle, er beschäftigt sich mit einem Autor, ein Gratis-Exemplar des Buches bekommt, das er besprechen will, gehört natürlich auch zum Angebot. Die Meinung des Journalisten kann der Künstler damit nicht "kaufen", aber wie hat das jemand so schön formuliert? Die Pressemappe eines Künstlers ist sozusagen sein öffentlicher Arbeitsnachweis. Aufmerksamkeit ist die Währung, in der hier bezahlt wird. Von beiden Seiten. Im Gegensatz zum Autor, der sich spannende, interessante Geschichten ausdenken kann und darf, muss der Journalist das nehmen, was die Wirklichkeit ihm anbietet und damit seine Leser locken. Kunst und Kultur sind sozusagen die Köder. Es kann sein (und kommt gar nicht so selten vor, wie wir Künstler alle leidvoll wissen), dass man die gewünschte Aufmerksamkeit nicht erhält - oder dass die Veröffentlichung nicht "in unserem Sinne" ist, sprich: ein Verriss.
 
Die Künstlerseele schaudert`s, aber aus der Sicht der Konsumenten (Leser, Musikhörer, Kunstliebhaber): wunderbar! Als Leser kann ich das schöne Gefühl haben, dass da jemand objektiv schreibt und dann auch die gute Kritik als ehrlich einsortieren. Trotz Freikarte und Gratis-Buch. Nun weiß aber auch jeder, dass nichts so alt ist wie die Zeitung von gestern. Das mag betrüblich sein für den Periodika-Journalisten. Dass es da eine Spezies von Leuten (nämlich vor allem die Künstler) gibt, die fast liebevoll ihre Pressemappen pflegen, sollte eigentlich die Seele dieser Schreibenden streicheln: Früher wurden Pressemappen an Veranstalter gesandt, oder man machte, wann immer möglich, offline Werbung damit. Das ist schon länger passé; es blieb das Zitieren einzelner  Passagen, der Hinweis - selbstverständlich MIT Quellen- und Autorangabe! - auf Rezensionen und Artikel über die eigene Person, die eigenen Werke. Die positive Rezension, der Bericht über die Lesung oder das Konzert: Natürlich ist man als Künstler stolz, in der Öffentlichkeit "vorzukommen".
 
Aber es gibt auch das Bedürfnis des Konsumenten, sich über den Künstler zu informieren. Und das Bedürfnis des Künstlers (ich wage zu behaupten, irgendwo auch das Recht), zu dokumentieren, was alles geschrieben und veröffentlicht wird über die eigene Person. Ich zumindest habe mich stets bemüht, einen repräsentativen Strauß zu binden und ich weiß, dass die Pressemappe auf meiner Website gern gelesen wurde. Die Zitate reichen zurück bis ins Jahr 1998, als mein erster Roman erschien, über den es mehr als einhundert Presseveröffentlichungen gab, von der FAZ bis zur lokalen Heimatzeitung. Was für ein wunderbares Potpourri! Was für eine Freude, so etwas zusammenzustellen! Eine Werbung, ich maße mir an zu sagen: auch für die, die es geschrieben haben.
 
Natürlich fragt man beim Kontakt mit dem Journalisten, ob man zitieren darf. Klar nennt man Links, wenn sie denn vorhanden sind. Gerne verweist man auf die Website von Autoren/Journalisten. Aber wie viele Artikel bekommt man erst nachträglich zu Gesicht? Wie viele bekommt man, ohne dass der Autor klar erkenntlich ist, weil er unter Kürzel geschrieben hat? Klar, das ist alles rauszubekommen. Sicher, man kann sich für alles und jedes eine schriftliche Genehmigung geben lassen. Und bei Zitaten in meinen Büchern, sofern sie nicht ganz eindeutig unters Zitierrecht fallen, mache ich das auch inzwischen konsequent. Aber bei einer Pressemappe? Bei jedem Satz-Zitat? Oder gar "für Content bezahlen"? Wie sollte das denn bitte zu verstehen sein? Ich zahle, und du schreibst gut über mich? Oder, noch diffiziler: Ich (Journalist) schreibe schon vorausschauend gut, weil sich dann die Chance erhöht, dass ich meine Rezi über den begeisterten Künstler zweitverwerten kann? Welchen Beigeschmack hat eine bezahlte Kritik? Wer mag das lesen - und vor allem: glauben?
 
Vorbei.
Ich will und kann es nicht darauf ankommen lassen.
Soeben habe ich (mit sehr wenigen Ausnahmen) alle "Pressestimmen" zu meinen Büchern gelöscht.
Natürlich kann ich ohne Pressezitate leben. Prima sogar, zumal ohnehin die "Primärstimmen", also die direkten Kommentare von Lesern, einen immer breiteren Raum einnehmen.
Trotzdem: Es ist ein Abschied, der schmerzt. Ein bisschen Friedhof, sozusagen: Was ging, kommt nicht wieder.


Wer sich näher informieren möchte - eine Zusammenstellung von Links zum Thema:

Der Zeitungsartikel über Scarlett O´, auf den ich mich eingangs beziehe:

Und hier der sehr lesenswerte Beitrag dazu auf ihrer Website:
http://www.scarlett-o.de/presse.htm

Eine Zusammenstellungen von Meinungen und Fakten zum Thema:
http://www.chanson.de/rechtliche-themen-1.html
http://www.chanson.de/recht3
http://www.chanson.de/recht1
 
Diskussionsgruppe auf Facebook:
https://www.facebook.com/groups/abmahnungen/

Eine Umfrage zum Thema:
http://www.chanson.de/survey2.html
 
 
Weitere Hinweise/Artikel zum Thema:

(Hinweis auf Abmahnung bei einem Musiker)
 
(Risiko bei Pressespiegel im Internet)

Konflikt um preisende Zitate/Verzicht von Libri auf Presserezensionen
 
Rezensionsausschnitte müssen wohl lizensiert werden (plus ein bissiger Kommentar von mir/Nr. 4)

 Und hier noch ein kleiner Zusatzkommentar zu einem Lesereintrag auf meiner Facebook-Seite:

Ganz eindeutig - und auch in meinem Blogbeitrag und dem zitierten Kommentar gemeint/gesagt: Es geht NICHT um eine beliebige Verwertung journalistischer Arbeit, sondern lediglich um diese kleinen "Appetithäppchen", also (das juristisch umstrittene) Zitieren einiger Sätze oder Auszüge. Und es geht auch nicht darum, dass das jeder darf, sondern eben speziell diejenigen, die auch (und eben auf eigene Kosten) die Grundlage bereitstellen: Freikarten, Gratisbücher für Rezensionen, Bewirtung bei Veranstaltungen, und, wohlgemerkt: OHNE dass daraus eine Verpflichtung zur Veröffentlichung überhaupt, und schon gar nicht auf eine positive, "gekauft" wird. Im schlimmsten Fall (für den Künstler) investiert er (oder seine Verwerter) Zeit und Geld, um anschließend einen Verriss zu kassieren. Ja, ich höre die Stimmen: Auch das ist Werbung. Aber sicher nicht für recht unbekannte Künstler. Für die ist es oft der Abgesang. Juristisch lässt sich streiten, ganz streng juristisch lässt sich sagen: Dieses Zitieren ist keins. Wenn das so ist, muss man die Konsequenzen ziehen, auch wenn man eine liebgewordene Gewohnheit aufgibt. Das habe ich getan. Und es gleichzeitig bedauert. Weil ich finde, dass hier beide Parteien verlieren. Man KANN nicht für eine Kritik bezahlen!! Nie!! Das wird immer den Beigeschmack von Käuflichkeit haben. Und, auch nicht zu vergessen: Es haben sich ja auch längst andere Wege eröffnet. Meine Pressemappe war eigentlich ein in die Jahre gekommenes, ein dennoch liebevoll gestreicheltes Dinosaurierchen. Jetzt ist es eben ausgestorben. Das bedaure ich. Irgendwie. Liebe Grüße!
Quelle:
https://www.facebook.com/nikola.hahn1

Montag, 29. Juli 2013

Schöne Bücher machen ...


Aus eins mach vier, oder: Indie-Reise eines Romans


Mehr als vier Jahre ist es her, seit ich beschloss, meiner Schriftstellerkarriere bei Ullstein erst einmal Adieu zu sagen und einer verrückten Idee die Zügel schießen zu lassen, die mir schon eine geraume Weile im Kopf herumspukte. Eine alte Dame, ein einsames, trauriges Mädchen und seltsame Gestalten in einem geheimnisvollen Garten: das waren die Ingredienzien für meine Geschichte. Ein Buch für die Seele sollte es werden, über die Kraft der Fantasie und die Magie, die Märchen haben. Es dauerte Jahre, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war, und noch immer fand sich kein Verlag dafür. Aber ein paar Leute fanden sich, die das Manuskript lasen und mich ermutigten, die eingetretenen Pfade zu verlassen, Neues zu wagen. Und so entstand aus einer Wörter-Geschichte schließlich auch eine Bilder-Geschichte, zum illustrierten „eBook-Sommergarten“ gesellten sich der „Herbstgarten in Schwarzweiß“, der „Text-pur-Wintergarten“ und, mein Lieblingsprojekt, der aufwendig und farbig illustrierte „Frühlingsgarten“. Die Schriftstellerin verwandelte sich derweil in eine fluchende Verlegerin, die mit ihrem Layoutprogramm und gegen Metadaten kämpfte und die, nachdem die ersten Schlachten siegreich geschlagen waren, eine neue Leidenschaft entdeckte: Schöne Bücher machen wie anno dazumal – digital!

In früheren Zeiten war es nämlich durchaus üblich, Bücher zeitgleich in unterschiedlichen Ausstattungen und Preisklassen anzubieten. Da gab es die Ausgabe mit dem Pappeinband für den schmalen Geldbeutel und die in Leder gebundene Edelvariante für die repräsentative Privatbibliothek. Ich versuche, an diese Tradition anknüpfen, und deshalb erscheinen die Bücher im Thoni Verlag zeitgleich in unterschiedlichen Ausgaben oder sogar in "der falschen Reihenfolge", also das (preisgünstige) Taschenbuch vor der (teuren) Geschenkausgabe, das eBook vor der Printausgabe. "Schöne Bücher" will ich machen, und das bedeutet, sorgsam darauf zu achten, dass Inhalt und Form zusammenpassen: Ein eBook muss anders layoutet werden als ein Taschenbuch; die Gestaltung mit Bildern erfordert die Überlegung, wie sie sich in die Geschichte einpassen lassen, ohne den Lesefluss zu stören. Ein Buch in Farbe zu gestalten kann nicht ohne Auswirkung auf den Preis bleiben.

Ja, all das ist Indie für mich: In die Reise besonderer Bücher zu investieren, Zeit, Geld, Herzblut, viel Geduld und Langmut. Und meine Gartengeschichte? Freut sich über Leser, die leise, poetische Geschichten mögen, die in keine (etablierte) Verlagsschublade passen. 
 
 
 
Neugierig? Aber gern:
 

Samstag, 15. Juni 2013

Bücher und Wasser vertragen sich nicht ...


Liebe Leserinnen, liebe Leser,


wir alle sehen täglich die Bilder der überschwemmten Dörfer und Städte … Besonders betroffen von der Flut sind auch etliche kleine Buchhandlungen. Bücher und Wasser vertragen sich nun mal gar nicht. Die Stiftung Neue Klassik hat eine Initiative ins Leben gerufen, die ich via Thoni Verlag gern unterstütze: "Fluthilfe für den Buchhandel 2013". Das Prinzip: Kleine Verlage stellen Bücher zur Verfügung, die kostenlos an Spender verteilt werden, die für die betroffenen Buchhandlungen spenden.

Der Thoni Verlag stellt jeweils fünf Exemplare der einzelnen Printausgaben des Romans "Der Garten der alten Dame" zur Verfügung, insgesamt also 15 Bücher. Alle werden signiert, auf Wunsch auch mit einer persönlichen Widmung versehen.  

Wer spenden möchte (5 Euro helfen schon!), findet hier alle Informationen:


Beste Grüße!
Nikola Hahn

PS: Ich freue mich, wenn dieser Post und die Links weiterverteilt werden ;)
 
Das sind die Bücher:



 


 


 

Sonntag, 9. Juni 2013

Wenn die Worte fehlen ...


... und sie doch tröstlich sind.


Es ist noch nicht lange her, seit ich hier über das Glück sprach, das ich empfand, als der passionierte Lyrikverleger Theo Czernik mir zu meinem Gedichtband  "Singende Vögel weinen sehen" einen persönlichen, lobenden Brief schrieb. Ende April erhielt ich eine Einladung zur Ausschreibung des diesjährigen Inge-Czernik-Förderpreises für Lyrik, der nach seiner verstorbenen Frau benannt ist. Der tiefe Brunnen weiß es wohl, so der avisierte Titel für die diesjährige Anthologie der Bewerber.
 
"Der Titel ist eine Zeile aus dem Gedicht Weltgeheimnis von Hugo von Hofmannsthal", schrieb Theo Czernik, und dass ein bestimmtes Thema für den Preis nicht vorgegeben werde, weil ein Gedicht sich dagegen sträube, gegängelt zu werden.
 
"Gedichte gehören zu Weltengeheimnissen: In einem Gedicht muss man den Atem des Dichters spüren, seine Gedanken, seine Erinnerungen, die aus einer Grauzone kommen und wie ein Menetekel gedeutet werden möchten. (...) Dichter sind der tiefe Brunnen, in dem wir viele Fragen suchen, Antworten finden, und aus dem wir unsere Träume schöpfen. Wir laden Sie ein."
 
Ob und wann das Buch erscheinen wird? Ich weiß es nicht.
 
Theo Czernik ist am 3. Juni 2013 in Speyer gestorben. Die Beerdigung findet am 10. Juni 2013 um 14.00 Uhr auf dem Friedhof in Speyer statt. Obwohl wir uns nur wenige Male persönlich begegnet sind, trifft mich sein Tod sehr.  

Wie anders als mit einem Gedicht könnte ich Abschied nehmen?

TOD.

Nicht mehr
Hier
Da
Sein

Ein einfühlsamer, schöner Nachruf findet sich hier:
http://www.morgenweb.de/region/schwetzinger-zeitung-hockenheimer-tageszeitung/hockenheim/lyriker-von-nationalem-rang-1.1063406

Sonntag, 12. Mai 2013

Immer ...

... für mich da



Dein Leben bestand aus
Gartenarbeit und Wäschewaschen,
Kaffeekochen, Einkaufstaschen,
Bügeln, Nähen, Stricken,
Häkeln, Stopfen, Sticken.
 
Deine Berufe waren
Krankenschwester und Chauffeur,
Putzfrau und Friseur,
Schneiderin, Finanzbuchhalter,
Seelenarzt für jedes Alter.
 
Deine Freizeit verging
im Winter auf der Rodelbahn
mit Schneeballschlacht und Schlittschuhfahr’n.
Im Sommer bautest Du ein Zelt,
gabst für Wassereis mir etwas Geld.
 
Du warst Experte
im Puppenankleiden und Hasenstallbau,
als Spielzeugreparateur in unser’m Bretterverhau,
im Zuhör’n, Schimpfen und Hinternversohlen:
Da hatte ich Nachbars Äpfel gestohlen.
 
An Weihnachten
backtest Du Plätzchen und Kuchen,
an Ostern halfst Du uns, Eier zu suchen.
Mengenlehre und anderen Kram
lerntest Du, als ich zur Schule kam.
 
Du halfst mir,
Liebeskummer zu verdauen,
Tränenbäche, Weltenschmerz,
gabst mir den Rat, auf die Zeit zu vertrauen:
Balsam für mein gebrochenes Herz.
 
Vergeblich war Dein Ringen,
mir Kochen beizubringen.
Ordnung muss sein!
ging auch nicht in mein Hirn hinein.
Auf die öden Haushaltspflichten
konnt’ ich liebend gern verzichten.
 
Heute sehe ich es ein:
Kinder können schrecklich sein.
Für Deine Mühe mit uns Blagen
möchte ich Dir Danke sagen.
 
 
aus: Nikola Hahn, Baumgesicht (Neuausgabe, Mai 2013)
 


Nikola Hahn - Baumgesicht

Montag, 6. Mai 2013

Bücher im Bahnhof ... oder: Wo meine Lieblingsbuchhandlung ist

Ach, was fällt mir alles Schönes ein, wenn ich das Wort „Buchhandlung“ höre:  Deckenhohe Regale  aus Holz erscheinen vor meinem Auge, prall gefüllt mit Geschichten, die darauf warten, erlesen zu werden, schmale Gänge in gemütlichen, dusteren Räume, in denen Staubflusen im Licht tanzen, die das Gefühl geben, eine geheimnisvolle Welt zu betreten, das mystische Land der Fantasie, das verborgen zwischen Buchdeckeln ruht. Alte Bücher, neue Bücher, große, kleine, dicke, dünne, Taschenbücher, Schmuckausgaben: Ein Maximum an gedruckter Vielfalt auf einem Minimum an Raum, der Geruch nach Papier und Bindeleim – das sind die Erinnerungen aus meiner Kindheit, die ich mitnahm ins Erwachsenenleben. Ich träumte sie noch,  als ich längst in hellen, modern eingerichteten Buchhandlungen als Autorin zu Gast war – wie viele schöne Begegnungen gab es dort, wie viele inspirierende, interessante Gespräche durfte ich führen!
 
Und welche von all den vielen ist nun meine Lieblingsbuchhandlung? Eine schwere, eine ungerechte, eine wunderbare Frage! Weil sie mich zwingt nachzudenken darüber, was Menschen ausmacht, die Bücher nicht nur verkaufen, sondern lieben! An den Orten meiner Erinnerung finde ich sie, ohne Zweifel. Und nach mehr als einhundert Lesungen, die ich im Laufe der Jahre durchgeführt habe, kann ich sagen, dass es unzählige Bücherorte und viele Büchermenschen gibt, die ich sehr mag. Aber bevor ich meine Wahl treffe, möchte ich die Seite wechseln, überlegen, was ich in meiner Erinnerung als nicht so passend, als nicht so gemütlich, nicht so inspirierend abgespeichert habe. Eine Bahnhofsbuchhandlung zum Beispiel: Nett, dass es sie gibt, denn man kann, wenn man auf Reisen ist, schnell mal reinschauen und sich mit Lektüre versorgen. Na gut, die Auswahl ist großteils auf gängige Ware beschränkt, und man muss schon wissen, was man will, weil die Leute, die da Bücher verkaufen, ohnehin meist keine Ahnung von Literatur haben. Die gestapelten Bestseller, die sich am Eingang finden – ach, nö. Und der Grabbeltisch mit den Billigausgaben? Als Leserin gehe ich neugierig hin, wühle und hoffe, ein Schnäppchen zu machen; als Autorin spüre ich Trauer und Schmerz, eins meiner „Buchkinder“ zu entdecken, an dem ich jahrelang  gearbeitet habe, Knick im Rücken, Remittenden-Stempel, Ramsch. Ein Ort zum Träumen? Eine Lieblingsbuchhandlung gar? Sicher nicht.
 
Nein, es war nicht schwer, meine Wahl zu treffen: Es ist der Buchmarkt Hauptbahnhof Frankfurt am Main! Ich habe eine Lieblingsbuchhandlung, deren Inhaber ich nicht persönlich kenne, deren Interieur ich bislang nur via Facebook angeschaut habe, ein Laden, versteckt in der B-Ebene eines lauten Bahnhofs, in dem es all das nicht gibt, was für mich eine Buchhandlung immer zu einem Zauberort werden ließ. Es ist eine neue Geschichte, die ich jetzt erzählen will, erzählen muss, und sie hat mit der Wandlung aller Dinge zu tun, die wir Zukunft nennen, sie hat zu tun mit den Wegen der Bücherfreunde durchs Netz, mit den verschlungenen Pfaden, auf denen sich Online- und Offline-Welt immer mehr verzahnen und verweben.
 
Auf der Startseite bei Facebook fällt mir ein Eintrag auf: Das Team einer kleinen Buchhandlung will ein Regal ausschließlich mit Literatur deutscher Schriftsteller bestücken. Unsere deutschen Autoren, so lautet die Überschrift, zwei schwarzrotgoldene Fähnchen werden virtuell dazugeklebt, um die Intention deutlich zu machen: Wir, so sagt das kleine Team aus dem Souterrain, wir lieben Bücher, alle Bücher – aber wir möchten unseren deutschen Autoren, von denen wir mit vielen auch in persönlichem Kontakt stehen, einfach mal Danke sagen, mit einem Büchergruß, der ins Auge fällt – keine Auswahl bezüglich des Genres wird getroffen, kein Unterschied wird gemacht zwischen der Bestsellerin und dem Newcomer.
 
Wir mögen Euch!, erklärt das kleine Team – und erntet einen Shitstorm. Deutschtümelei, verkappte Nazis, und was man eben so schreibt, wenn das Gutmenschenherz mal wieder online überquillt. Erschrocken ist das kleine Bücherteam, vier Menschen, die sich abwechselnd sieben Tage in der Woche in ihrer Buchhandlung die Beine in den Bauch stehen und sich trotzdem die Zeit nehmen, auch online über ihre Bücher, ihre Autoren zu reden, die nicht nur, wie so viele, irgendeine lieblose Facebook-Seite generiert haben, weil man eben sozial netzwerken muss heutzutage, sondern die mit jedem Post eine Liebeserklärung ans Lesen, an Bücher, an „ihre“ Autoren machen, weltoffen, provinziell, kitschig, gediegen, lustig, ernst, Schmöker, Literatur; der ausgepackte Stapel von Remittenden hier, der Hinweis auf Werke der Klassik dort, so kunterbunt, so widersprüchlich, so respektlos-fröhlich wie die Welt eben ist: der Kosmos eines großen Bahnhofs in Bücherstapeln ausgedrückt.
 
Entsetzt ist das engagierte Quartett über die Vorwürfe, sie treffen ins Herz; man versucht zu beschwichtigen, sich zu rechtfertigen. Es sei doch nur ein einziges Regal im Laden, nur eine gute Absicht, einfach ein kleines Dankeschön. Zum Glück lässt sich das Team nicht schrecken, na gut, die Fähnchen lassen sie dann doch weg am (realen) Regal, aber die deutschen Autoren bekommen ihr exklusives Plätzchen, und auf der Facebookseite gibt`s für jeden eine Gratiswerbung dazu, eine Auswahl der Bücher, ein Statement des Bücherteams, und Platz für den Autor zu sagen, warum er schreibt, was er schreibt. Auch hier: Bunt ist die Autoren-Bücher-Mischung, frei von jedem Dünkel, E neben U – was, bitte, sind E und U?
 
Ich mache mit, freue mich, Teil eines so hübschen Potpourris zu werden, ein netter eMail-Kontakt entwickelt sich.  Jeden Abend schlendere ich nun online durch den Laden, schaue mir die neuen Bilder an, lese, kommentiere, bin neugierig auf die Autorenkollegen, die vorgestellt werden, und auf ihre Bücher. Neues entdecke ich, Spannendes, tauche ein in fremde Welten, obwohl ich meine gar nicht verlasse. Und ich erinnere mich an die Anfänge meiner Schriftstellerkarriere. An die Buchhandlung, in der ich immer so gern gestöbert hatte, und die mein Debüt nicht haben wollte. Nicht mal ein einziges Exemplar in Kommission. Wie gut hätte es der jungen, unerfahrenen Autorin damals getan, ein bisschen Unterstützung zu bekommen von „ihrem“ Buchhändler vor Ort.
Es gibt ein Dutzend Gründe für das Nein, nachvollziehbare, für mich heute sogar durchaus einsichtige Gründe. Und doch: Warum tut es dann diese Buchhandlung im Souterrain des Frankfurter Hauptbahnhofs, vier Bücherleute, die diese Gründe genausogut benennen könnten, die sich sogar beschimpfen lassen mussten für ihr Engagement, das ihnen außer ein paar virtuellen Fans und ein bisschen Öffentlichkeit ökonomisch wohl nichts und ansonsten nur Arbeit einbringt?
 
In einer Welt, in der sich alles ändert, alles im Fluss, im Umbruch ist, darf und muss man Erinnerungen bewahren, aber es ist auch an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden, sich auf das zu konzentrieren, was wichtig ist: Menschen zu treffen, die Bücher lieben! Offline wie online. Noch Fragen, warum ich nicht lange überlegen musste, ausgerechnet eine Bahnhofsbuchhandlung zu meinem Liebling zu erklären?
 

Buchmarkt Hbf Frankfurt am Main
Hauptbahnhof, B-Ebene
60329 Frankfurt

https://www.facebook.com/BSVFrankfurt


- Geschrieben für den Blog von Jannis zum Thema "Autoren und ihre Lieblingsbuchhandlung", 5. Mai 2013 -
 

NACHTRAG vom 27. Februar 2014

Es ist schade, dass so oft die Engagierten, Leidenschaftlichen, Besonderen gehen müssen. Ja, den Laden wird es auch im März noch geben, aber mit dem Februar geht die Seele, und der Rest wird Makulatur sein. Ich wünsche Mandy und ihrem Team alles Gute und Liebe! Auf dass ganz viele Autoren und Leser den Weg, wenn schon nicht mehr im realen Leben, so doch wenigstens virtuell in "Deinen" Laden finden mögen, Mandy!