Samstag, 23. März 2013

Was für ein raffinierter Hund!

Neues vom Verleger

Freitags, irgendwann ...

Also, was Ad angeht, kriege ich langsam ein flaumiges Gefühl in der Magengegend. Der hat einfach ein Interview mit mir erfunden und es dem NNB untergejubelt. Mit Bild! Erzählt der mir so nebenbei beim Bier! Ich finde, das geht eindeutig zu weit! Und das wollte ich ihm gestern gerade sagen, als Berti hereinkam. Ich habe gleich gemerkt, mit den beiden, das wird nichts. Wer leider absolut gar nichts gemerkt hat, war Ad.
Er haut Berti auf die Schulter und greint: „Lass mich raten: Du bist der Berti mit dem Buchladen?“
Und Berti? Streckt Ad die Rechte hin: „Guten Abend, der Herr. Buchmann, mein Name.“
Zum Glück ist Ad schmerzfrei. Der grinst noch mehr, nimmt die Hand und schüttelt sie, dass Bertis Brille wackelt. „Freut mich, Herr Buchmann. Eduard Weber, mein Name. Sie dürfen aber gern Ad und Du sagen.“
Berti nickt, sagt überaus freundlich: „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Herr Weber“, und schaut dann mich an wie der Feldwebel den Soldaten, der vom Desertieren heimkommt. Mir ist das alles sowas von peinlich.
 
Da hilft nicht mal, dass Willi kommt und Berti das Bier hinstellt: „Guten Abend, Herr Buchmann. Drei Minuten. Extra für Sie.“
„Und ich?“, frage ich.
„Dauert noch vier Minuten“, sagt Willi und verschwindet wieder hinter seiner Theke.
„Für mich bitte auch noch eins!“, ruft Ad ihm hinterher. Ich habe längst den Verdacht, dass der in Wahrheit gar kein Bier trinkt. Das macht er nur, um mir zu imponieren. Damit ich ihn nicht rauswerfe, den selbsternannten Pressechef und Marketingleiter.
Ich versuche, mit Berti ein Gespräch anzufangen, aber ich merke, dass er heute Abend nicht recht reden will. Und dann ärgere ich mich doch etwas über ihn: Für wen hab ich diese Chose denn in die Welt gebracht? Ich opfere ganze Tage, mach mir einen Kopf und sonst was, um ihm zu helfen, und er? Spielt die beleidigte Leberwurst!
 
„Also, ich hätte da eine Idee“, sagt Ad zu ihm. Und fängt an, ihn zuzuquasseln mit Vorschlägen, wie man den Buchladen on the Top bringen könnte, und ob Berti schon daran gedacht habe, bei Facebook einen Account zu eröffnen? Eine moderne Buchhandlung müsse heutzutage schließlich online sein!
Berti guckt ihn an. Lächelt. Und sagt überaus freundlich: „Ich habe keine moderne Buchhandlung.“
Und Ad? Der sagt tatsächlich: NICHTS.
Dafür bewundere ich Berti: Der kann so freundlich sein, dass die Blumen aufblühen, und gleichzeitig seinem Gegenüber mitteilen, dass es an der Zeit ist, schnellstens den Zug zu wechseln.
Ich habe mich schon oft gefragt, warum das so ist. Vielleicht hat es damit zu tun, dass es eigentlich niemanden außer mir gibt, der sich traut, Berti Berti zu nennen. Sogar Willi sagt Herr Buchmann. An der Kleidung kann es nicht liegen. Wer genauer hinschaut, sieht schon, dass Bertis Anzug nicht mehr so ganz der Mode folgt. Und besonders imposant sieht Berti auch nicht aus. Eher unscheinbar, wenn ich ehrlich bin. Und trotzdem kriegt er es irgendwie hin, dass jeder ihn respektiert, sobald er nur den Raum betritt. Noch bevor er irgendwas sagt. Na ja, Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber selbst bei Leuten wie Ad reicht zumeist ein Satz. Es muss etwas mit der Art zu tun haben, wie Berti steht und geht, und vor allem: wie er einen anschaut. Ich hatte damals auch Mordsrespekt vor ihm, als ich die Bücher für meine Klassenkameraden bestellt habe. Ohne Perry Rhodan wären wir wohl niemals Freunde geworden.
 
Aber das tolle Gefühl, von meinem Bruder ernstgenommen zu werden, der sonst nichts Besseres zu tun hatte, als mich bei jeder Gelegenheit zu piesacken, das wollte ich öfter haben. Und nur deshalb bin ich regelmäßig in die Buchhandlung gegangen, zu diesem ernstschauenden Menschen mit der runden Brille auf der Nase, der so kluge Sachen sagte und gleichzeitig unter dem Ladentisch die neuesten Perry-Rhodans versteckte. Und irgendwann hat er dann ganz ernstfreundlich zu mir gesagt: „Es ist schon erstaunlich, dass eine Lektüre zwei Menschen zusammenbringt, die keiner von beiden je gelesen hat, nicht wahr?“
 
Das hat mir noch mehr imponiert als die Bewunderung meines Bruders. Und dann hat Berti mir ein Buch geschenkt. Irgendwas mit Fragezeichen. Und weil ich mich nicht blamieren wollte, hab ich`s halt gelesen. Und fand es sogar ganz gut. Aber er hat mich gar nicht gefragt, ob es mir gefallen hat. Er hat gefragt, was ich, wenn ich das Buch geschrieben hätte, anders gemacht hätte. Erst viel später ist mir aufgegangen, was für ein raffinierter Hund Berti ist! Doch da hatte er mich längst geködert mit seinen Lektürevorschlägen, und irgendwann hat er gemeint: „Ich finde, Herr Buchmann hört sich an wie in der Schule. Aber ich möchte nicht dein Lehrer sein. Und damit auch gar nicht erst der Verdacht aufkommt, sagst du am besten ab sofort Berti zu mir.“
 
Ganz ehrlich: Ich war stolz wie Bolle! Trotzdem hat es Wochen gedauert, bis ich das wirklich ohne Stolpern über die Lippen bekommen habe: Berti zu sagen zu einem so gescheiten Mann, der eine runde Brille und einen ganzen Buchladen hatte. Und der …
 
(c) Thoni Verlag, Fortsetzung folgt ...

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