Samstag, 1. Dezember 2012

Ressentiments ...

Wie ich ja schon schrieb, sitze ich derzeit an der Überarbeitung meines Romans "Die Wassermühle", der (hoffentlich) noch im Dezember in einer aktualisierten Fassung herauskommen soll. Bei einer Recherche im Netz fiel mir auf, dass der Erfolgsroman von Martina Gercke "Holunderküsschen" nirgends mehr erhältlich ist, nicht mal bei amazon im Kindle Shop. Das machte neugierig, und ich stieß auf die wohl schon seit einer Weile geführte Plagiatsdebatte. Entsprechende Textstellen sind ja im Netz eingestellt, und die klingen doch recht eindeutig. Ich vermag darüber letztlich kein Urteil zu fällen, und ich will es auch nicht. Was mich jedoch ziemlich erstaunt, ist die "Empörung der Gerechten", die nun den "Fall Gercke" nutzen, um ihre Vorurteile gegen (alle) Selfpublisher zu befeuern. Interessant zu lesen und sehr entlarvend. Statt am Manuskript weiterzuarbeiten, habe ich einen Kommentar zu einem Artikel im Literaturcafé geschrieben, den ich (in Auszügen) hier einstelle, weil er mein Selbstverständnis als Autorin & Verlegerin wiedergibt . (Ihr merkt schon: Seit gestern bin ich auf dem Netz-Schreib-Trip :) )
 
(...) Wenn jemand so offenkundig selbst Satzformulierungen übernimmt, dann kann das kein Zufall sein. Andererseits ist hier jemand auf einem unkonventionellen Weg zum Erfolg gekommen, das ruft natürlich auch Neider auf den Plan. Nein, ich lese "solche" Bücher grundsätzlich auch nicht (manchmal mache ich aus Neugier eine Ausnahme :)), aber es gibt viele Menschen, die solche Geschichten mögen, und sie haben jedes Recht dazu.

Was nur zu gern unterschlagen wird: Nicht nur Selfpublisher veröffentlichen so was, sondern auch jede Menge Verlage, und über die inhaltliche wie sprachliche Qualität lässt sich hier wie dort trefflich streiten. Jetzt aber so zu tun, als würde die Veröffentlichung über einen Verlag per se für sprachliche Qualität und "Originalität" bürgen, finde ich einfach nur daneben. Das Beispiel Hegemann wurde ja bereits andernorts genannt, und es war mitnichten so, dass dieses Buch dann - wie es jetzt bei amazon und mvg mit den Werken von Frau Gercke geschah - sofort vom Markt genommen wurde.
Nein, zur Moraldebatte taugt das Beispiel Gercke nicht! Und auch nicht, um Ressentiments gegen eine Entwicklung zu schüren, die viele in der Branche (aus welchen Gründen auch immer) nicht mögen.

Und was Interviews mit Autoren angeht, deren Bücher man überhaupt nicht gelesen hat - aber Hallo! Über einen meiner Romane hat man sogar einen Kurzfilm gedreht, ohne dass der Verantwortliche das Buch vorher auch nur ansatzweise gelesen hätte. Gefallen hat mir das nicht, denn irgendwo ist man ja auch Leser, der vernünftig informiert werden will. Über die Werbung war ich trotzdem froh, und die Pressestelle im Verlag natürlich auch.

Allerdings ging es in Wolfgang Tischers Interview (anders als damals bei mir) nicht um den Inhalt des Buches und damit eine Leseempfehlung, sondern um den ungewöhnlichen Werdegang und Erfolg einer Autorin. Ich habe das Interview mit Frau Gercke (...) im Literaturcafé mit großem Interesse gelesen und trotzdem nicht den Gedanken gehabt, dass ich dieses Buch jetzt unbedingt kaufen müsste.

Fazit: Wie immer und überall kommt es auf die Intention an. Und die sollte man - gerade bei den ganz besonders Empörten - doch ab und an mal kritisch hinterfragen.

Hier geht`s ...
 
- zu den genannten "Textstellen"  (aus: Buchmarkt, "Affären", 30.11. 2012)
- zum Interview mit Herrn Dresen (Justiziar bei Random House, Buchmarkt, 30.11.2012)
- zu einem sehr ausgewogenen und fairen Statement (ebooks-Autoren.de, 20.11.2012)